Hörbücher sind toll und man kann sie Dank Smartphone und mobilem Internet immer und überall dabei haben. Egal, ob bei der Hausarbeit, im Auto, im Wartezimmer beim Arzt, beim Sport oder beim Spaziergang. Egal, welches Genre man bevorzugt, man kann sein aktuelles Lieblingsbuch ganz nebenbei hören während man andere Dinge erledigt. Soweit die Theorie, die sehr viele Menschen auch problemlos in die Praxis umsetzten. Bei mir ist das allerdings aus folgenden Gründen nicht möglich:

Fokussierung & Konzentration
Ich weiß nicht, ob es irgendeine Form von Veranlagung ist oder eine Eigenschaft, die ich schon in früher Kindheit entwickelt habe, aber ich kann mir nicht bewusst etwas anhören, wenn ich mit Augen und Körper mit etwas anderem beschäftigt bin. Das war schon als Kind so, wenn ich mir ein Hörspiel (Benjamin Blümchen, TKKG, die 3 Fragezeichen,…) angehört habe, saß ich vor dem Kassettenspieler und habe zugehört, ohne etwas anderes dabei zu tun. Oder umgekehrt, habe ich von dem Hörspiel nichts mitbekommen, wenn ich z.B. mit Lego, Playmobil oder Autos gespielt habe.
Das ist auch noch heute so. Wenn ich mich auf ein Hörbuch konzentriere, kann ich dabei nicht abwaschen oder wenn ich mich im Auto auf den Straßenverkehr konzentriere, nehme ich wohl wahr, dass das Radio läuft, aber nicht welche Musik.
Eine Erklärung dafür habe ich erst sehr spät gefunden, als ich mit 40 nochmal die Schulbank der Meisterschule gedrückt habe. Während der Ausbildung zum Ausbilder habe ich etwas über Lerntypen (Auditiv, Visuell, Haptisch, Kommunikativ) gelernt und dass die meisten Menschen wohl eine Kombination aus Visuell und Auditiv sind, also sowohl Dinge am leichtesten wahrnehmen und verstehen durch Hören und Sehen. Bei mir ist es wohl so, das ich ein Mischung aus Visuell und Haptisch bin – heißt, ich lerne und nehme Dinge wahr durch Sehen und Anfassen/Ausprobieren (learning by doing), wobei Geräusche/Lärm eher hinderlich und ablenkend sind.
Im Nachhinein, hätte mir dieses Wissen in meiner normalen Schulzeit sehr geholfen – denn bereits dort hatte ich, im Gegensatz zu meinen Mitschülern, Probleme damit z.B. etwas von der Tafel abzuschreiben und gleichzeitig den Ausführungen des Lehrers zuzuhören. Egal – anderes Thema.
Das hat jetzt auch nicht unbedingt etwas mit der Unfähigkeit von Multitasking zu tun – denn das kann ich sehr gut, nur eben anders. Während ich diese Zeilen schreibe, verfolge ich gleichzeitig auf dem anderen Monitor meine Timelines bei BlueSky und Twitter und gehe im Kopf schon mal meine Planung für nächste Woche durch. Würde jetzt etwas Geräusche machen (Radio, TV, …) könnte ich nichts von dem.

Sprecher und Umsetzung
Gut, ich könnte mich jetzt halt hinsetzen und ein Hörbuch hören ohne dabei etwas anderes zu machen. Hab ich versucht, ist für mich in den meisten Fällen auch nicht so das Wahre.
Wenn ich ein Buch lese, dann lese ich nicht nur. Ich tauche wirklich gedanklich in diese Welt ein und schaffe mir Bilder vor meinem geistigen Auge, erwecke die handelnden Figuren für mich zum Leben, gebe ihnen Aussehen, Stimme und Charakter. Ich lebe in der Geschichte, ich lebe dort, bin wirklich dabei. Aber das sind Dinge, die kann ein Sprecher eines Hörbuchs nicht wirklich leisten – zumindest nicht so, wie ich es mir vorstelle. Dann finde ich einfach nicht in die Story rein und bin genervt von dem, was ich höre. Das regt mich auf und ich breche recht schnell frustriert ab. Da kann die Story noch so gut sein, aber wenn z.B. ein Troll, der tief in den östlichen Bergen lebt, spricht wie Meister Röhrich, nein, das geht für mich gar nicht. Aber das interpretiert halt jeder anders.
Viele Hörbücher sind mittlerweile auch schon eher Hörspiele; mit mehreren Sprechern, Geräuschen, Musik. Klar, das soll Atmosphäre schaffen, aber wenn die leider nicht so ist, wie ich mir das in meiner Phantasie vorstelle, dann verdirbt mir das den Spaß und die Freude.
Es gibt auch ein paar Sprecher, die ich durchaus sehr gerne höre und die relativ nah an meine Vorstellungen ran kommen. Zum Beispiel Rufus Beck, Volker Niederfahrenhorst oder Michael Che-Koch. Aber auch da kommt es auf die Kombination von Sprecher und Story an – und auch die passt für mich nur sehr selten.
Und was mich auch sehr verärgert, wenn bei einer Buch-Reihe ständig die Sprecher wechseln. Kaum hat man sich an denen einen halbwegs gewöhnt, liest und spricht der nächste völlig anders.

Fazit
Ja, für viele Menschen sind Hörbücher eine wirklich tolle Sache und beneide jeden, der auf diese Art und Weise tolle Geschichten konsumieren kann und dabei zeitgleich auch noch andere Dinge erledigt.
Ich bin halt, wie bei vielen anderen Dingen auch, ein wenig anders und vielleicht auch ein wenig zu anspruchsvoll. Aber ich, für meinen Teil, bleibe lieber bei der Methode „Nase ins Buch“, also dem klassischen Lesen (darf auch gerne im E-Book-Format sein).